Krachrede
Gehalten bei der Krach-Parade 2023 – Tanzdemonstration für kulturelle Freiräume in Aachen
Hallo zusammen,
wir sind das Autonome Zentrum Aachen – genauer gesagt freue ich mich, für das Autonome Zentrum hier einige unsere Ideen und Motivationen erläutern und sie in einen gesellschaftlichen Kontext stellen zu können. Daher danken wir als AZ zuerst dem Krach-Kollektiv, hier sprechen zu dürfen.
In unserem Namen steckt eigentlich schon der zentrale Gedanke unserer Praxis: Autonomie. Wie viele Begriffe, die unser politisches Denken prägen, stammt er aus dem Griechischen und bedeutet Selbstgesetzgebung, die sich wiederum nicht nur auf Staaten, sondern auch auf Kollektive beziehen kann. Wir als AZ sind dementsprechend eine Gruppe, die sich selbst ihre Regeln gibt. Nach diesen Regeln organisieren und begleiten wir die politischen und kulturellen Veranstaltungen in unseren Räumlichkeiten.
Und da wir versuchen, unsere Regeln gemeinsam auszuhandeln, sind wir zugleich politisch. Denn Politik bedeutet, die gemeinsam geteilten Räume oder die gemeinsam geteilte Welt auch gemeinsam zu gestalten – das ist zumindest ein Verständnis von Politik, es gibt gewiss noch weitere. Genauer besehen, stecken Autonomie und Politik somit in der Art und Weise unseres Diskutierens und Handelns. Die Inhalte und Ergebnisse sind dabei zunächst zweitranging, wichtig ist diesen Ideen zufolge in erster Linie, dass man gemeinsam handelt und gestaltet. Jedoch orientieren wir uns an einigen weiteren grundlegenden Werten, die über die Idee der Autonomie hinausgehen. So versuchen wir, unsere Preise sozial verträglich zu gestalten, was insbesondere darauf basiert, dass wir alle ehrenamtlich aktiv sind und an vielen Stellen, teils nach Außen nicht sichtbar im AZ arbeiten. Dabei achten wir darauf, insbesondere ein subkulturelles Angebot auf die Beine zu stellen, damit auch Menschen mit einem etwas spezielleren Geschmack auf ihre Kosten kommen. Zudem bemühen wir uns, Formen der Diskriminierung entgegenzuwirken.
Wir versuchen also, in unserem Handeln solidarisch zu sein. Dabei zeigt sich jedoch, dass wir auch hier immer wieder diskutieren müssen, was wir eigentlich unter Diskriminierung verstehen und inwiefern es möglich ist, sowohl schmalen Geldbeuteln als auch gestiegenen Kosten für das Booking oder Infrastrukturmaßnahmen gerecht zu werden. Autonomie und Politik bringen daher ebenfalls Konflikte unter uns mit sich.
Warum ist das aber überhaupt wichtig und warum bedeutet das alles mehr, als sich bei Veranstaltungen einen schönen Abend zu machen? Auf diese Frage lassen sich mit Blick auf gegenwärtige Gesellschaften verschiedene Antworten geben, von denen uns zwei besonders wichtig erscheinen. Zum einen integrieren konflikthafter Aushandlungen – Konflikte integrieren. Das mag irritieren, weil man Konflikte vielleicht lieber meidet oder sie einen stören. Mit Blick auf die Geschichte stellt man jedoch schnell fest, dass viele Ansprüche von Gruppen erst durch das Austragen von Konflikten in Gesellschaften integriert wurden – man denke hier an die Formen des zivilen Ungehorsam der Suffragetten, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Wahlrecht für Frauen in den USA und Großbritannien erkämpften. Oftmals werden solche Konflikte erst rückblickend als moralische Fortschritte erkennbar. Vor dem Hintergrund einer gegenwärtigen politisch-kulturellen Polarisierung, in deren Zuge verschiedene Identitäten und Diskriminierungsformen breit und teils sehr polemisch diskutiert werden, ist es wichtig, sich innerhalb und außerhalb des AZs an diesen Debatten zu beteiligen, damit auch andere Menschen die Möglichkeit haben, autonom und frei von Diskriminierung zu leben.
Zum anderen haben sich in den letzten 40 Jahren deutsche, aber auch vielen andere europäische und nordamerikanische Städten zu sogenannten unternehmerischen Städten transformiert. Diese Städte zeichnen sich dadurch aus, dass viele ihrer Fachbereiche und Abteilungen einer ökonomischen Logik folgen und vielerorts sparen müssen. Zugleich zielen sie darauf, Städte für zahlungskräftige Mittelschichten attraktiv zu gestalten, da diese finanzielle Mittel in die Städte einbringen können. In der Folge davon kommt es oftmals zu Verdrängung oder Ausgrenzung von ökonomisch schlechter gestellten Gruppen. Sie können sich dann keine Wohnung in aufgewerteten Vierteln leisten, müssen Infrastrukturprojekten weichen oder finden keine bezahlbaren interessanten Kulturangebote, da diese nicht im Fokus einer Kulturpolitik stehen, die sich an Mittelschichten orientiert. Zugleich aber bieten jene Städte verschiedene Möglichkeiten der Beteiligung an und ermutigen Menschen sogar dazu – es ist also nicht alles schlecht. Es lässt sich jedoch zeigen, dass diese Beteiligungsmöglichkeiten zumeist an einem Konsens orientiert sind, konflikthafte Themen der Stadtgestaltung dadurch jedoch ausgeschlossen werden – wo ein Konsens erzielt werden muss, stören grundlegende Konflikte. Auch daher ist es wichtig, sich an gesamtstädtischen Gestaltungsprozessen zu beteiligen und dabei Konflikte nicht zu scheuen, Widersprüche zwischen verschiedenen Gruppeninteressen als solche auch klar zu benennen. So kann man nicht nur eigene Interessen verfolgen, sondern grundlegend den Anspruch einer sozial gerechten Stadt vertreten.
Wir freuen uns über Menschen, die sich für unsere Ideen begeistern können und laden Interessierte sehr gern zu unserem Montagsplenum, immer ab 20:30 Uhr ein. Aber wir freuen uns ebenso sehr, wenn sich Menschen in anderen Gruppen organisieren und die Stadt, in der wir leben, mitgestalten. Denn auch in ihrem Handeln stecken von uns geteilte Ideen. Daher danke an alle, die an der Krach-Parade mitgewirkt haben.
Viel Spaß noch.