Wiedergeburt sieht anders aus – Über die autoritäre Entwicklung im Krisenlabor Griechenland
Etwas mehr als zehn Jahre ist es her, dass Tausende Griech*innen das Parlament auf dem berühmten Syntagma Platz stürmten, sich stundenlange Straßenschlachten mit der Bereitschaftspolizei lieferten und Gewerkschaften einen Generalstreik nach dem anderen organisierten. In den folgenden Jahren sah sich die griechische Gesellschaft einer regelrechten sozialen Zertrümmerung ausgesetzt, im Namen der Austerität und angeleitet durch die Troika aus IWF, Europäischer Zentralbank (EZB) und der EU. Durchgesetzt wurden die Reformpakete von kontrollierten Regierungen wie die des Technokraten Loukas Papadimos oder jener von Alexis Tsipras und seiner Linkspartei Syriza. Tsipras steht bis heute symbolisch für die Ohnmacht progressiver Akteure im politischen System der EU und würgte mit seinem Einknicken gegenüber den internationalen Gläubigern Versuche anderer südeuropäischer Länder ab, sich dem europäischen Schuldenregime zu widersetzen: Trotz der mehrheitlichen Zurückweisung von Reformforderungen in der Bevölkerung und der hohen Zustimmung für einen Austritt Griechenlands aus der Währungsunion unterwarf sich jeder Regierungschef am Ende dem Spardiktat.
Ende März dieses Jahres nun kündigte der rechtskonservative Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis an, dass Griechenland gerade 1,85 Milliarden Euro und damit die letzte Tranche seiner Schulden beim Internationalen Währungsfonds zurückgezahlt habe – zwei Jahre früher als geplant. Grund zur Freude besteht nicht: Weiterhin ist die Arbeitslosigkeit hoch, Privatisierungen werden weiter vorangetrieben und die Herrschaft des Kapitals wird, flankiert durch eine Orbanisierung der Politik, weiter zementiert. Unter der aktuellen rechten Regierung haben sich alle Kämpfe in Verteidigungskämpfe um eigentlich selbstverständliche demokratische Rechte verwandelt. Oppositionspolitiker und Journalisten werden überwacht, die Polizei hat sich verselbstständigt und Griechenland rutscht im Pressefreiheitsindex immer weiter nach unten. Im Frühling soll es wieder Wahlen geben – aber es ist fraglich ob sie was an dem autoritären Normalzustand ändern werden. Die Hoffnung ist, dass die Jugend, wie schon so oft in der Nachkriegszeit, erneut zur Speerspitze einer progressiven Bewegung avanciert.